Wenn ich zwei Vöglein wär

Wenn ich zwei Vöglein wär,
und auch vier Flügel hätt,
flög die eine Hälfte zu dir
und die andere, die ging auch zu Bett,
aber hier zu Haus bei mir.

Wenn ich einen Flügel hätt‘
und gar kein Vöglein wär,
verkaufte ich ihn dir
und kaufte mir dafür ein Klavier.

Wenn ich kein Flügel wär
(linker Flügel beim Militär)
und auch keinen Vogel hätt‘,
flög ich zu dir.
Da’s aber nicht kann sein,
bleib‘ ich im eignen Bett
allein zu zwein.

Verballhornung des bekannten Volksliedes von Joachim Ringelnatz (1883-1934)

So ein Gewitter wie gestern Abend …

Das war ein Blitzen und Donnern, so etwas kenne ich gar nicht aus dem Beschaulichen Ostwestfalen.

Aber Joachim Ringelnatz hat 1923 ein wunderschönes Gedicht über Gewitter (oder?) geschrieben, das ich Euch nicht vorenthalten möchte:

Gewitter

Oben in den Wolken krachte der Donner.
Am Ufer des Indischen Ozeans balzte ein Kind.
Würde der Mond noch monder, die Sonne noch sonner,
So würden die Menschen vielleicht noch drehlicher, als sie schon sind.

Tausend Menschen lachten und weinten;
Sechs von dem Tausend wußten, warum;
Zwei von den sechsen aber meinten
Von sich selber, sie seien eigentlich dumm.

Breite Straße filmte mir vorbei,
Links und rechts mit Lichtern und Reflexen
Fechtend und mit Worten und Geschrei.
Helle Nacht ergoß sich brausend.

Und ich grüßte ehrfurchtsvoll die zwei.
Und ich beugte staunend mich den sechsen.
Kniete, echt und bettelnd, vor dem Tausend.

Vor dem Grand Hotel zu den Drei Mohren
Kreiste jämmerlich ein Hund und schiß.
Nebenbei, von irgendwem verloren,
Lag ein künstliches Gebiß.
Doch ich räusperte und spie,
Und ich rotzte,
Bis ich einer weichen Phantasie
Würdig trotzte.

Und zur gleichen Zeit mag ein Kommis
(Elegante Kleidung – sauber – Schaf)
Auf dem Teppich heiß gestammelt haben,
Einer, der vom lieben Gott was wollte,
Was das Hauptbuch und den nächsten Tag betraf;

Dachten andere an Schützengraben.

Denn der Donner grollte.

Joachim Ringelnatz . 1883 – 1934

Kinder, putzt euch eure Zähne!!

Nein, dieses ist kein Aufruf der deutschen Zahnärztinnen und Zahnärzte.
Warum sollten sie auch ihre Kundschaft vergraulen 🙂

Ernster Rat an Kinder

Wo man hobelt, fallen Späne.
Leichen schwimmen in der Seine.
An dem Unterleib der Kähne
Sammelt sich ein zäher Dreck.

An die Strähnen von den Mähnen
Von den Löwen und Hyänen
Klammert sich viel Ungeziefer.
Im Gefieder von den Hähnen
Nisten Läuse; auch bei Schwänen.
(Menschen gar nicht zu erwähnen,
Denn bei ihnen geht’s viel tiefer.)

Nicht umsonst gibt’s Quarantäne.
Allen graust es, wenn ich gähne.
Ewig rein bleibt nur die Träne
Und das Wasser der Fontäne.

Kinder, putzt euch eure Zähne!!

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

Schenken

Schenken

Schenke groß oder klein,
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten
Die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei
Was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor,
So dass die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.
Schenke mit Geist ohne List.
Sei eingedenk,
Dass dein Geschenk
Du selber bist.

Joachim Ringelnatz (1883-1934)

gefunden im Guten Morgen Newsletter von © blueprints Team, http://www.blueprints.de

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