Zum Neuen Jahr – von Eduard Mörike

Wie heimlicherweise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füssen
Die Erde betritt,
So nahte der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen!
Ein heilig Willkommen!
Herz, jauchze du mit!
In ihm sei’s begonnen,
Der Monde und Sonnen
An blauen Gezelten
Des Himmels bewegt.
Du, Vater, du rate!
Lenke du und wende!
Herr, Dir in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt!

Eduard Mörike

Auf ein Ei geschrieben

Auf ein Ei geschrieben

Ostern ist zwar schon vorbei,
Also dies kein Osterei;

Doch wer sagt, es sei kein Segen,
Wenn im Mai die Hasen legen?
Aus der Pfanne, aus dem Schmalz
Schmeckt ein Eilein jedenfalls,
Und kurzum, mich tät’s gaudieren,
Dir dies Ei zu präsentieren.
Und zugleich tät es mich kitzeln,
Dir ein Rätsel drauf zu kritzeln.

Die Sophisten und die Pfaffen
Stritten sich mit viel Geschrei:
Was hat Gott zuerst erschaffen
Wohl die Henne? Wohl das Ei?
Wäre das so schwer zu lösen?
Erstlich ward das Ei erdacht:
Doch, weil noch kein Huhn gewesen,
Schatz, so hat der Hase es gebracht.

Eduard Mörike (1804-1875)