Verse zum Advent

Noch ist Herbst nicht ganz entflohn,
Aber als Knecht Ruprecht schon
Kommt der Winter hergeschritten,
Und alsbald aus Schnees Mitten
Klingt des Schlittenglöckleins Ton.

Und was jüngst noch, fern und nah,
Bunt auf uns herniedersah,
Weiß sind Türme, Dächer, Zweige,
Und das Jahr geht auf die Neige,
Und das schönste Fest ist da.

Tag du der Geburt des Herrn,
Heute bist du uns noch fern,
Aber Tannen, Engel, Fahnen
Lassen uns den Tag schon ahnen,
Und wir sehen schon den Stern.

Theodor Fontane

Noch ein schönes Weihnachtsgedicht: Weihnachtabend

Weihnachtabend

Hell prangt des Zimmers weiter Raum!
Welch hehre Augenweide!
Und jubelnd um den Tannenbaum
stehn meine Kinder beide.
Wie jauchzen sie von Lust beseelt,
sich freuend jeder Gabe,
o, könnt ich jubeln, doch mir fehlt
mein blondgelockter Knabe.

Vor Jahren in demselben Raum
klatscht‘ er in seine Hände,
und tanze um den Tannenbaum,
der bot so reiche Spende!
Jetzt scheint mir öde, scheint mir leer
das lampenhelle Zimmer,
der Kerzenglanz, das Lichtermeer,
mir däucht’s nur öder Schimmer.

Die Kinder sehn mich fragend an,
was wohl dem Vater fehle?
Ich fasse mich, und lächle dann,
dass ich die Lust nicht schmäle.
Noch hat ihr frisches Kinderherz
von Sorgen nichts erfahren,
doch wird die Zukunft euch den Schmerz
und Kummer nicht ersparen.

Mein Sohn, den ich im Geiste seh‘,
wer schmückt dir heut dein Bette?
Das Eis bedeckt’s, und kalter Schnee
fällt auf die Schlummerstätte. –
Dort hängt dein Bild in Jugendzier,
bekränzt hängt’s überm Tische,
indes die salz’ge Träne mir
ich von den Wimpern wische.

Heinrich Zeise (1822-1914)